Ist Nudelsalat Salat?

Schmackhaft, einfach in der Zubereitung, aber sprachlich umstritten: der Nudelsalat. Ein Diskurs über linguistische Unstimmigkeiten – von Haferdrink und Bratwurst-Bernds.

KI-generierter Nudelsalat
Ein paar Nudeln, ein wenig Olivenöl, getrocknete Tomaten, Feta und Basilikum: fertig ist der Nudelsalat. | KI-generiertes Symbolbild

Wenn man in eine Runde fragt, ob Nudelsalat Salat ist, gibt es oft mindestens eine Person, die verneint. Außerdem mindestens eine Person, die findet: Kartoffelsalat sollte so eigentlich auch eher nicht genannt werden. Und viele andere Personen, die sich schützend vor den Nudel- und Kartoffelsalat stellen. Eine lustig startende Nudelsalat-Debatte, die nicht nur das Potential dazu hat, sondern häufig auch in einen Meinungskampf ausartet.

Dass Sprache sich wandelt, ist normal, oft auch wichtig und sinnvoll. Sobald es für irgendwen hilfreich oder eine Erleichterung ist, sollte sich wandelnde Sprache immer in der breiten Gesellschaft akzeptiert werden. Ein Beispiel dafür ist, wenn sich jemand durch genderneutrale Sprache anerkannt fühlt. So werden beim Gendern nach hunderten von Jahren endlich nicht mehr nur Cis Männer angesprochen. Die Aber-ihr-seid-doch-mitgemeint-Ära scheint mit den neuen Generationen langsam zu enden.

Aber braucht es einen solchen Sprachwandel auch bei Salaten? Sollte Nudelsalat „Nudelmix“ oder „kaltes Nudel-Allerlei“ heißen? Geht es Menschen, die gegen das „-salat“ in Nudelsalat sind, überhaupt darum? Zählen klassische Salat-Bestandteile wie Mais, Möhren oder Tomaten für Nudelsalat-kein-Salat-Menschen als Salat?

Wenn man nach der lateinischen Wortherkunft geht, sind nicht einmal die Pflanzen, die wir als Salat bezeichnen, eben dieser. „Sallita“ bedeutet ursprünglich so viel wie „eingesalzen“. Es geht also um mit Salz haltbar gemachtes – was ja noch am ehesten auf die in Salz gekochten Nudeln zutrifft…

Und natürlich: Nudeln sind weder Chicorée noch Eisberg- oder Feldsalat. Aber genauso wenig sind auch der Buchstaben- oder Kabelsalat kleine, grüne, zarte und gut schmeckende Pflanzen.

Ein klassischer griechischer Salat besteht zum Beispiel nur aus Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Oliven und Feta-Käse. Gewürzt wird er oft mit Olivenöl und Oregano. Auch hier ist es demnach fraglich, ob es sich überhaupt um etwas handelt, das in der Welt der Nudelsalat-kein-Salat-Menschen „Salat“ genannt werden darf.

Der Duden definiert Salat unter anderem als „Durcheinander“ oder „Wirrwarr“. Das lässt sich auf die umgangssprachliche Buchstaben- und Kabelvariante gleichermaßen beziehen, wie auf die essbaren Versionen. Demnach ist die Antwort eigentlich sehr einfach:

„Salat“ ist vielmehr ein Zustand als irgendwelche spezifischen Lebensmittel.

Ein Zustand des imperfekt-perfekten Verhältnisses von Dingen, die erst durchmischt zu einem großen Ganzen werden. So wird auch der leicht bitter-würzige Lollo Rosso erst mit Hilfe von Balsamico-Vinaigrette, süßlich-saftigen Kirschtomaten und cremig-salzigem Feta-Käse zu einem kulinarischen Hingucker.

Gerade in den Sommermonaten erweisen sich Nudel- und Kartoffelsalate immer wieder als wahre Retter. Viel zu häufig werden vegetarische oder vegane Alternativen beim alljährlichen Sommer-Familientreffen „vergessen“. Die fiktiven Onkel Bratwurst-Bernd und Kotelett-Klaus sind nun mal der Meinung, dass Fleisch ein wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung sei und dass vegane Fleischalternativen ja sowieso nur ein Trend wären. Sie sind stolz darauf, Fleischliebhaber zu sein und etwas zu entschlossen, ihren Standpunkt bei jeder Gelegenheit zu verteidigen.

Ich bin Vegetarier.

Seit nun etwas mehr als 10 Jahren lebe ich vegetarisch. Ich möchte Totes nicht essen. Der Gedanke daran, dass Lebewesen für mich sterben sollen, ekelt mich an. Nur, damit ich ihre Muskelmasse in ihren eigenen Darm quetschen oder auch in Scheiben schneiden, platt klopfen, dann panieren und letzten Endes braten kann. Nur, damit ich genüsslich meinen Hunger stillen kann.

Seit nun etwas mehr als 10 Jahren diskutiere ich mehr oder weniger regelmäßig über vegane und vegetarische Fleischalternativen. Über vegane Bratwurst. Über Gemüseschnitzel. Seit einigen Jahren auch über Hafermilch. Hinter kaum einem Thema scheinen bekennende Fleischfanatiker*innen und Vegan-Hasser*innen mehr her zu sein, sobald auch nur am Rande erwähnt wird, dass jemand lieber pflanzliche Lebensmittel konsumiert.

Hilfreich ist da nicht, dass laut einer Verordnung der Europäischen Union aus dem Jahr 2013 Milchersatzprodukte nicht als „Milch“ verkauft werden dürfen. Nur Flüssigkeiten, die durchs Melken gewonnen werden, dürfen diesen Namen tragen. Auch die Begriffe „Rahm“, „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“ sind in der EU ihren tierischen Originalen vorbehalten. Selbst wenn klar gekennzeichnet wird, dass es sich um rein pflanzliche Produkte handelt, bleibt die Benennung verboten – es könne ja zu Verwechslungen kommen.

Offiziell heißt also Hafermilch Haferdrink, Sojamilch Sojadrink, Kokosmilch Kokosdrink, Sonnenmilch Sonnendrink und Scheuermilch Scheuerdrink.

Moment. Nicht ganz.

Weil Kokos-, Sonnen- und Scheuermilch bereits gesellschaftlich akzeptierte und weitverbreitete Namen sind, traut die EU den Menschen tatsächlich zu, sie nicht mit dem tierischen Eutersekret zu verwechseln. Danke für das Vertrauen!

Nicht umsonst gibt es das Adjektiv „milchig“, das direkt den Grund beschreibt, warum diese Produkte heißen, wie sie heißen: Es geht naheliegenderweise um die Konsistenz, die Farbe und die Textur der Flüssigkeiten. Sie sind „der Milch ähnlich“, milchig eben. Die große Frage ist nun, warum die Bezeichnung den Ersatzprodukten, die ja genau auf diese Beschreibung zutreffen, vorenthalten bleibt. Milch ist übrigens auch kein Bestandteil von Milchglasfolie – wer hätte es gedacht?

Und wären die Hafermilche dieser Welt nicht schon ausreichend diskriminiert, werden Sie in Deutschland noch zusätzlich hinten angestellt. Da sie nicht als Grundnahrungsmittel gelten, werden sie mit einer Mehrwertsteuer von 19 % besteuert. Das muhende Vorbild hingegen nur mit 7 %.

Milchalternativen sind nicht nur für laktoseintolerante Menschen praktisch. Auch profitieren alle, die die Milchwirtschaft mit ihren immer leistungsfähigeren Kuh-Züchtungen in viel zu kleinen Ställen nicht unterstützen möchten. Dazu kommt die Tatsache, dass Milchersatzprodukte in ihrer Umweltbilanz um ein Vielfaches besser abschneiden als Kuhmilch. Ein Liter Kuhmilch benötigt im Vergleich zu einem Liter Hafermilch, wegen des Umwegs durch das Tier, das 73-fache an Wasser: 248 Liter. Die Produktion von einem Liter Hafermilch benötigt im Vergleich zu einem Liter Kuhmilch eine 11 Mal kleinere Fläche Land.

So wie es beim Salat um die Art der Zusammenstellung und bei Milchalternativen um die milchige Ähnlichkeit zum Original geht, ist es auch bei Fleischalternativen. So sollten auch Bratwurst-Bernd und Kotelett-Klaus akzeptieren, dass es nicht um ihre geliebten Lebensmittel, sondern um die Zubereitung geht. Bei der Bratwurst geht es nicht darum, dass sie aus Fleisch ist, sondern dass etwas in eine Hülle gepresst wird und sich anschließend braten oder grillen lässt. Beim Schnitzel ist nicht das plattgeklopfte Tier unter der Panierung relevant, sondern dass eine Masse von Paniermehl umhüllt wird.

Nudelsalat ist also ein Salat, Hafermilch Milch und vegane Wurst eine Wurst. So einfach kann es sein.

Autorenfoto Maarten Hoffmeyer | Foto: Charlotte Schreiber

Maarten Hoffmeyer

Ich studiere Journalistik an der Hochschule Hannover. Auf dieser Website teile ich meine Studienprojekte und -ergebnisse auf dem Weg zum Journalisten.

Der Website-Titel „HINTERGRUND“ steht für die Einblicke, die ich mit meinen Texten und Projekten gebe.